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Herr Jirí Dušek und Herr Jan Kvapil am Grab

211. Todestag von J.G. Seume - Besuch am Grab in Teplice

Am Sonntag, dem 13. Juni 2021 nutzten wir die Gelegenheit und die Erleichterungen des Reisens in Europa und machten uns auf nach Teplice. Am Sterbetag von Johann Gottfried Seume, am Grab seines 211. Todestages in Teplice zu gedenken. Wir - Ulrich Coblenz, Wolfgang Fritzsche, Günther Werner, Wolfgang Schütze, Andrea Trauboth und Lutz Simmler - machten uns auf den Weg, voll froher Erwartung, in diesem Jahr wollten wir alte und neue Bekannte in Teplice treffen, uns mit ihnen gedanklich austauschen und neue Pläne schmieden. Es gab im Vorfeld der Reise auch von weiteren Mitgliedern unseres Vereines den Wunsch, die Kontakte zu Freunden und Verantwortlichen in Teplice zu stärken und zu verstetigen. Erleichtert wurde dies alles durch Herrn Jan Kvapil, ein Germanist aus Usti.

Er machte mit seinem sehr guten Deutsch unsere lausigen Tschechischkenntnisse vergessen und ermöglichte angeregte Gespräche. Dafür ihm ein großes Dankeschön.Reiseerleichterungen bedeuteten in diesem Jahr die Erfüllung einiger Auflagen. Dazu gehörten vorab die Mitteilung über unseren Reisewunsch, Ort, Aufenthaltsdauer und ein negatives Testergebnis an das Ministerium in Tschechien. Das klappte auch alles. Eines hat mich auf der Rückfahrt dann doch leicht irritiert, bei der Einreise in Deutschland wurden wir auf einem großen Schild darauf hingewiesen, dass wir nur mit einem negativen Test einreisen und damit eine Quarantäne verhindern können. Die Fahrt über den Erzgebirgskamm bei bestem Kaiserwetter ließ die Vorfreude noch steigen. Was für ein Glück, wieder reisen zu dürfen und was für beindruckende Landschaft.

Am Grab die erste erfreuende Feststellung, die Stadtverwaltung hat die Erinnerungstafel restaurieren lassen und diese wieder angebracht. Die Aktivität ist dabei über die Restaurierung hinaus gegangen, jetzt gibt es sogar zwei Schilder in tschechischer Sprache, die auf Seumes Vita verweisen. In unseren Gesprächen kamen wir zu dem Ergebnis, dass sich damit später die Möglichkeit eröffnet, auf einer der Tafeln die Erinnerung in deutscher Sprache zu formulieren. Geplant ist, noch in diesem Jahr die Pflasterung um das Grab zu erneuern.
Zu Beginn unseres Besuches stand das ehrenvolle Gedenken an J.G. Seume. Neben den eigenen Gedanken, Ereignissen und Begegnungen der vergangenen Monate, die an dieser Stelle wichtig waren, sind es die Worte von C.A.H. Clodius, hier an seinem Grab gelesen, welche uns auf das Erinnern einstimmten. Herr Jirí Dušek, der neben Herrn Kvapil und einer weiteren tschechischen Seume-Freundin anwesend war, und schon viele Begegnungen in Teplice mit vorbereitet und unterstützt hat, war in diesem Jahr so freundlich und hat Grabgesteck, Liegestrauß und Schleifen in Teplice anfertigen lassen. Herr Kvapil übersetzte die Gedankensplitter, Gedenken in tschechischer und deutscher Sprache, ein besonderer Augenblick. Herr Dušek versicherte glaubhaft, einige weitere Weltbürger hätten sich gern dem Gedenkakt angeschlossen, einzig der Beginn der tschechischen Gruppenspiele zur Europameisterschaft legten die höhere Priorität für die nationale Sache.
Herr Dušek ist ein großer Bewunderer von Seume, insbesondere weil er das Laufen, die Fortbewegung aus eigener Kraft so konsequent lebt und auch deshalb sich nie ein Auto anschaffte. Für uns gab es durch ihn noch eine Stadtführung. Aus der Fülle - Teplice wurde zu Hochzeiten als das kleine Paris bezeichnet - hat er vier Orte und vier Persönlichkeiten ausgewählt. Der erste Hinweis gilt der Seume-Kapelle (SEUMEHO KAPLE), die jetzt in alter Schönheit erstrahlt. Hier wäre auch ein Ort, um mit einem zweisprachigen Flyer, der dort ausliegen kann, über Seume und die Seume-Gesellschaft ARETHUSA zu informieren. In dieser Kombination sollte das Thema Flyer bald angegangen werden.

Auf unserem Weg gab Herr Dušek Einblicke in die Geschichte der Stadt. 1895 wurde aus den beiden Orten Teplitz (Teplice) und Schönau (Šanov) der Badeort Teplitz-Schönau, eine lange Zeit einer der Bedeutendsten in Böhmen, die Entscheidungen wurden aber weiter immer in Aussig (heute Usti nad Labem) getroffen. Den Ort und die Badekultur haben auch jüdische Unternehmer in starkem Maße geprägt. Bis zum 2. Weltkrieg war in Teplitz die zweitgrößte jüdische Gemeinde in Böhmen mit 5.000 Gemeindegliedern. Auch heute gibt es wieder eine jüdische Gemeinde. Ein Denkmal in Teplice erinnert an der Stelle, an der bis zum zweiten Weltkrieg sich eine der größten Synagogen Böhmens befand, an die leidvolle Geschichte der Juden in Teplitz. Sie wurde am 14. März 1939 niedergebrannt. Im Zuge der Restitution gibt es die eine oder andere spannende Entwicklung, so z.B. kaufen verstärkt Menschen aus dem Orient sich Villen und Grundstücke, auch eine hohe Dichte an Casinos gehört heute zu Teplice.
Die erste Persönlichkeit ist Julius Johannes Ludovicus Payer, ein Sohn der Stadt, der 1841 in Teplitz-Schönau geboren ist. Er war ein österreichisch-ungarischer Offizier, Polar- und Alpenforscher, Kartograf, Professor der Militärakademie und Maler. Sein besonderer Verdienst, er leitete mit Carl Weyprechter von 1872 bis 1874 die Österreichisch-Ungarische Nordpolexpedition bei der u. a. die arktische Inselgruppe Franz-Josef-Land entdeckt wurde (Wikipedia). Herr Dušek hat sich dafür eingesetzt, dass für diese wichtige Persönlichkeit in Teplice dieses Denkmal errichtet wurde. Erwähnenswert ist, das Denkmal hat Jan Koblasa (1932 - 2017), ein tschechischer Bildhauer, Maler, Graphiker, Autor und Hochschullehrer, geschaffen. Er ist nach den Ereignissen 1968 ins Exil gegangen und hatte viele Jahrzehnte den Lehrstuhl für Bildhauerei an der Muthesius Hochschule Kiel inne.
Unsere nächste Begegnung führt uns zum 1895 errichteten J.G. Seume-Denkmal. Zur wechselvollen Geschichte des Denkmals gehören einige bemerkenswerte Details. Zum einen ist ein Teil des Sockels aus Teplitzer Quarzporphyr gefertigt, die Büste von Seume selbst aus Keramik. Das wiederum hat viel mit der Industriegeschichte zu tun, es gab Ton und Kaolinvorkommen sowie reichlich Energie (Braunkohle), um in Keramikschulen Alltagsgegenstände und Kunstwerke herzustellen und zu brennen. Das Denkmal wurde nach dem 2. Weltkrieg, wie vieles Deutsches aus dem Stadtbild entfernt, dann aber vor 1989 wieder aufgestellt und restauriert. Begründet ist das darin, dass Seume nach dem sozialistischen Verständnis ein fortschrittlicher Dichter, ein Revolutionär und ein Kämpfer für die Freiheit des Volkes - so auch die Worte der Grabinschrift - war.
Unser weiterer Weg führt uns an den Ort, an dem Seume gestorben ist. Die Pension „Zum Goldenen Schiff“ ist längst abgerissen, es war aber der geeignete Ort, um sich über die bekannten Geschichten seiner letzten Tage auszutauschen. Auch über die Tatsache, dass Teplitz die Stadt der Kaiser und Könige und die Stadt der tausend Geschichten ist, und natürlich spielte es auch auf unserem Weg auf Schritt und Tritt eine Rolle. Dazu gehört vor allem, dass Teplitz der Verhandlungs- und Begegnungsort der drei alliierten Monarchen von Österreich, Preußen und Russland in den napoleonischen Kriegen und in den folgenden 50 Jahren war und blieb. Es ist hier aber sicher nicht die Stelle, um erschöpfend darüber zu berichten.
Beindruckend im wahrsten Sinne des Wortes ist die nächste Persönlichkeit und sein Denkmal. Wolfgang Amadeus Mozart, überlebensgroß abgebildet in Form einer Stele, die Größte ihrer Art in Europa. Entstanden im Auftrag des Prager „Ständetheaters“, geschaffen vom Bildhauer Franz Metzner, der seine Monumentalfiguren schlicht und ausdrucksstark darstellte und das alles in einer Zeit des Umbruches (1915). Im Jahre 1925 wurde die Figur auf einem der Teplitzer Marktplätze anstelle des 1918 abgeschafften Josef II.-Denkmals aufgestellt. Nach 1945 wurde das Denkmal ebenfalls abgetragen, aber nicht zerstört, was wohl am Ende ein Glück bedeutete. Der jetzt, kurz vor 1989 ausgewählte Standort erlaubt eine vortreffliche Interpretation. Schaut doch nun Mozart von seinem erhöhten Standort auf Beethoven oder zumindest auf das Kurhaus mit dessen Namen quasi herab. Es ist nicht erwiesen, ob sie sich zu Lebzeiten begegnet sind.
Zu guter Letzt führte unser Weg zum Treffpunkt kurender Geistesgrößen vergangener Zeiten. Im Juli 1812 trafen sich in Teplitze der Dichter Johann Wolfgang von Goethe und der Komponist Ludwig van Beethoven. Eine Gedenktafel im Boden erinnert daran und die Geschichten darum, von den zu beachtenden höfischen Umgangsformen des darauf bedachten Goethe und dem etwas anderem - freisinnigeren - Verständnis Beethovens. Wir entsinnen uns, in Beethovens Nachlass befand sich ein Buch von Seume. Sein kritischer Blick auf die Mächtigen seiner Zeit bewegt uns noch heute.
Unser Stadtrundgang endet am Alten Markt. Stadttheater, Stadtschloss, Schlosskirche und die überwältigende Pestsäule ziehen uns in ihren Bann. Auch weil es die derzeitige Pandemie ist, die uns eine Ahnung vermittelt, wie schön es sein wird, wenn alles wieder vorbei ist. Ungleich mehr betroffen waren die Menschen damals. Herrn Jan Kvapil ist hier zu danken, mit seinen Erläuterungen zu den Besonderheiten dieser barocken Dreifaltigkeitssäule und zum Stadtpatron – Johannes dem Täufer.

Den Tag in Teplice schließen wir in der Kaverna (Café) Schönau (welches den deutschen Namen des Kurortes trägt) bei Kaffee und Kuchen und mit einem großen Dank an Herrn Dušek und Herrn Kvapil. Vielen Dank für die Einblicke und die erlebte Herzlichkeit mit der wir ihre Geschichten gehört und uns erinnert haben. Einige Ideen und neue Projekte wurden noch (an)diskutiert, es geht weiter, mit diesem Ausblick und den schönen Eindrücken machen wir uns auf die Heimreise. Bis zum nächsten Mal in Teplice.

Lutz Simmler
Vorsitzender