Drei Männer und ein Denkmal
Ein Bericht über das Erinnern und Vergessen im 19. Jahrhundert
von Karl Wolfgang Biehusen
»Denkstein« nannte der SchriftstelIer Hermann Allmers (1821-1902) ein Denkmal, das er seinem Kollegen Johann Gottfried Seume (1763-1810) 1863 in Bremen stiftete. Es existiert noch heute - kriegsbedingt leicht verändert und an einem anderen Platz (siehe Foto). Und es gibt noch immer zu denken: Wer war der Stifter? Wer war der Künstler, der das Portrait des Sachsen modellierte?
Der folgende Text wurde erstmals 2005 in Bremerhaven veröffentlicht im Jahrbuch Nr. 83 des Heimatbunds an Elbe- und Wesermündung "Männer vom Morgenstern".
Das Denkmal
Es dürfte der 9. Juni 1864 gewesen sein, ein Freitag, da bekam Bremen ein Denkmal für Johann Gottfried Seume. Jedenfalls war noch am Tag zuvor in der Bremer Tageszeitung „Courir“ zu lesen gewesen, „das Medaillon, welches Hermann Allmers zum Andenken an die glücklich bewerkstelligte Flucht Seume’s“ gestiftet habe, werde „in diesen Tagen“ angebracht(1). Bereits am 10. Juni meldete die „Weser-Zeitung“ Vollzug. Das Medaillon sei nunmehr in einer Mauer beim Arbeitshaus an der Herrlichkeit angebracht worden, in einer Einfassung aus hellgrauem schlesischen Marmor nach einer Zeich- nung des Architekten Runge, erstellt im Atelier des Bildhauers Cropp. (2)
Das Denkmal, genauer: sein Nachfolger, steht noch heute, nicht weit vom ursprünglichen Standort. In einer Grünanlage an der Straße „Am Werderufer“ auf der Weser-Halbinsel, die Bremens Altstadt von der Neustadt trennt. Als Stele mit dem Seume-Portrait (ca. 60 cm im Durchmesser) – weitgehend unbeachtet und vergessen.
Besser ist es dem dargestellten Johann Gottfried Seume (1763- 1810) ergangen. Zumindest in Norddeutschland meint man auch den Stifter des Medaillons zu kennen, den Dichter Hermann Allmers (1821- 1902). Gänzlich in Vergessenheit ist jedoch Victor von Meyenburg (1834 – 1893) geraten, der das Seume- Portrait für das Denkmal lieferte. Schon die „Weser-Zeitung“ nennt ihn in ihrer Meldung vom 10. Juni 1864 fälschlich Johann Meinburg – und legte auf diese Weise eine falsche Fährte, der etliche Nachschlagewerke prompt gefolgt sind. Sie ist nicht die einzige Unklarheit, die sich bei dem Versuch auftut, diesen Künstler kennen zu lernen.
Hermann Allmers hatte den „kleinen Freiherrn“(3), für den er Victor von Meyenburg hielt, 1857 in München kennen gelernt. Damals muss er ihm den Auftrag erteilt haben, Johann Gottfried Seumes Portrait zu modellieren. Denn am 27. Oktober jenes Jahres schrieb ihm der junge Künstler:
Seume schreitet seiner Vollendung entgegen; ich bin lange damit aufgehalten worden, weil ich an manche Orte geschrieben habe um weitere Quellen zu entdecken [...] (4)
Als Vorlage hatte dem jungen Künstler offensichtlich nur ein Brustbild Seumes zur Verfügung gestanden. Es zeigt den Dichter als nachdenklich bis skeptisch dreinblickenden jungen Mann von etwa 30 Jahren - mit Oberlippenbart und einem auffälligen Pelzkragen. Diese Darstellung Seumes haben etliche Künstler variiert. Die Vorlage stammt von Veit Hanns Schnorr von Carolsfeld (1764-1841), dem besten Freund des Portraitierten. Es ist inzwischen verschollen, kann Victor von Meyenburg aber durchaus vorgelegen haben. Unmöglich jedoch ist die implizite Behauptung Allmers’, der Maler Veit Hanns Schnorr von Carolsfeld habe sich selber zu dem Relief oder dessen Entwurf äußern können (5):
Dem alten Professor Schnorr von Carolsfeld in Dresden, welcher Seume selbst gekannt und gemalt hat und noch immer in warmer Liebe verehrt, haben von Meyenburg und ich einen Abguß des Kopfes hingesandt; begleitet von einem gemeinschaftlichen Briefe; denn nach Schnorrs Originalzeichnung ist das Reliefportrait modelliert, und keiner nimmt größeren Anteil an der Sache als er - das beweisen seine wahrhaft rührenden Briefe an Meyenburg.(6)
1857 war Veit Hanns Schnorr von Carolsfeld schon 16 Jahre lang tot. Der „alte Professor in Dresden“ war sein Sohn, der weitaus bekanntere Romantiker Julius Schnorr von Carolsfeld (1794 -1872), den Victor von Meyenburg auf der Suche nach „Quellen“ angeschrieben hatte. Mit Erfolg, wie er in der Fortsetzung des Briefes vom 27.10.1857 berichtete:
[...] heute ist nun eine Antwort von J. Schnorr von Carolsfeld eingetroffen, in welcher er mir seine Freude über Ihr Unternehmen ausdrückt, jedoch bedauert, mir zu keinen weiteren Mitteln verhelfen zu können. Schnorr schreibt mir von dem bekannten Bilde folgendes: „In der Zeit, als sie entstanden galten sie für außerordentlich ehrlich, und ich erinnere mich des Mannes, dem auch ich als meinem Vorbild strenger Rechtschaffenheit und sittlichen Ernstes unaussprechlich viel zu danken habe, deutlich genug, um dieses Urtheil bestätigen zu können. (7)
„Außerordentlich ehrlich“, „Vorbild strenger Rechtschaffenheit und sittlichen Ernstes“: So wurde Johann Gottfried Seume im 19. Jh. in der Regel gesehen und beschrieben, als man ihn mit den Attributen „Natur-, Menschen-Vaterlandsfreund. Rauhe Schale, Edler Kern“ versah (8) Der Künstler hat diese Züge nach Ansicht seiner Zeitgenossen offenbar getroffen, trotz technischer Probleme. Es sei
[..] immerhin eine schwirige Aufgabe für mich nach dem kleinen en face über Lebensgröße zu arbeiten; das Medaillon ist aber schon längst so ähnlich, daß Leute, die sonst nicht von meiner Arbeit gewußt haben, beim ersten Anblick sagten: „ah das ist Seume!“ - (9)
Wenige Wochen später konnte der Bildhauer sogar berichten:
Die Kunstkritiken hat die Arbeit glück lich passiert; so sagt z.B. der Landbote: “Von plastischen Arbeiten ist ein Kolossal- portrait Seumes in Medaillonform für ein Denkmal bei Bremen bestimmt, - kräftige Haltung und geistiger Ausdruck hervorragend.“ – die neue M.ztg (10): “da wir einmal hier bei der Skulptur sind, (er spricht vorher von „Rufs“ (11) Leistungen im Allgemeinen) wollen wir auch eines vortrefflichen Medaillons von einem anderen jungen Künstler v. M. erwähnen, welches Seumes Kopf darstellt. [...] (12)
Schon am 12. Mai 1858 meldete von Meyenburg zaghaft aber humorvoll seinem „lieben Herrn Almers“ (Allmers mit einem „l“: auch von Meyenburg hatte sich nur flüchtig informiert) die Vollendung des Werkes:
So, hier ist Seume, das schwache Abbild des wackern biedern Seume. Nehmen Sie es an, wie es ist ich meinerseits habe mein möglichstes gethan, damit es gut ausfalle aber – wer mehr macht, als er kann ist ein Schuft. – Jezt sehe ich manches was mir missfällt. Es geht mir mit allen Arbeiten so, wenn sie eine Zeit lang fertig dastehen, so schäme ich mich wieder, (sie) gemacht zu haben; es sind dies Erfahrungen, die hoffentlich mit der Zeit mehr oder minder abnehmen werden, sonst wäre ja das ganze Leben nichts als ein steter Katzenjammer und man wäre genöthigt, alle Morgen einen Häring zu essen. Es tut mir leid, dass das Denkmal erst nach Ihrer bevorstehenden Reise soll aufgestellt werden, aber aus obigem Grund. Beiliegend finden Sie auch Hörners quittierte Rechnung 106 fl 30(13)
Offenbar hatte der Künstler mit der gleichen Post ein Gips-Modell des Medaillons auf die Reise geschickt. Wenige Tage später war auch der Bronze-Abguss fertig
Mein lieber Herr Allmers! Wie Sie sich werden denken können, habe ich seiner Zeit Ihre liebevollen Zeilen vom 20. Januar richtig in Empfang genommen und auch die 100 fl. einkassiert und bei mir behalten, wo sie nur noch einige Tage liegen werden; denn der Guß ist fertig und cieliert und wartet nur noch auf ein Vorwärts und wohin. Der Meister Hörner hat seine Sache sehr gut gemacht; der Guß ist ganz famos gelungen und die Ciselierung ist auch gut.(14)
Das „Vorwärts und wohin“ ließ freilich auf sich warten. Noch über zwei Jahre später, im August 1860, mahnte der Künstler, dem inzwischen der Übergang zum „Du“ gelungen war:
In Deinem letzten Brief berichtest Du mir, daß das Seumedenkmal wohl im September werde aufgestellt; bleibt’s wohl dabei? Deiner Einladung, dabei mitzuwirken, folge ich mit Freuden; aber höre, wenn ich einmal bei dir bin, so möchte ich aber gerne acht bis 14 Tage bei Dir bleiben um Dich recht zu genießen, wenns dir nämlich so recht ist. Die Zeit möchte ich gerne benuzen um Deine ganze Figur rund oder noch besser hochrelief zu portraitieren um bis zwei Fuß hoch; ich glaube, die kräftige Friesengestalt werde sich ganz gut dazu eignen. Vor Mitte September könnte ich aber nicht abkommen, wegen meiner Arbeiten. (15)
Victor von Meyenburg musste noch weitere vier Jahre auf die Enthüllung seines Seumes warten – und ob er 1864 in Bremen war, ist unbekannt.
Der Anlaß
Zumindest der Anlass für die Errichtung des Denkmals scheint ein- deutig zu sein, die erwähnte „glücklich bewerkstelligte Flucht Seu- me’s“. Auf der Rückfahrt aus Amerika, wo er als hessischer Zwangs- rekrut in englischen Diensten gestanden hat, soll Seume 1783 in Bremen desertiert sein. Dabei sollen ihm Bremer Bürger geholfen haben.
Heute gilt nicht einmal als sicher, dass Johann Gottfried Seume seine Truppe heimlich verließ. Wenn doch, dann verlief die Flucht jedenfalls nicht so, wie er - beziehungsweise sein Freund Georg Joa-chim Göschen als Vollender seiner Autobiographie „Mein Leben“ – sie beschrieben hat. Zumindest kann es nicht der Fluß namens Hunte sein, über den sich Seume ins Oldenburger Land rettete. Es war die Ochtum, die einen sackartig ins Bremische reichenden Zipfel Oldenburgs begrenzte. Beide Flüsse liegen auf der Neustadt-Seite der Hansestadt, am linken Weserufer – also gegenüber der Altstadt, in die sich der Deserteur angeblich geflüchtet haben soll.
Diese Ungereimtheiten fielen offenbar auch Hermann Allmers auf, dem Stifter des Medaillons. Den Ablauf des Geschehens und die Lokalisierung einzelner Episoden beschrieb er mehrfach, aber immer wieder anders, vorsichtshalber immer blumiger und ungenauer. Und er billigte offenbar den letztlich gewählten Standort des Denkmals als Ort des Geschehens, obwohl er den „Denkstein“ ursprünglich irgendwo ans Hunte-Ufer gestellt sehen wollte.
Was immer Seume im Jahre 1783 in Bremen und mit den Bremern erlebt haben mag: 41 Jahre später beantragte der „Künstlerverein“ in Bremen beim „Hohen Senat“, der Regierung der ehrwürdigen Hansestadt, ein Seume-Denkmal an einem öffentlichen Gebäude dort anbringen zu dürfen, wo sich die Fluchthilfe ereignet haben soll.
Dem ‚Künstlerverein’ hieselbst ist von seinem Freunde, dem be- kannten Hermann Allmers zu Rechtenfleth ein treffliches Relief Brustbild des deutschen Dichters Johann Gottfried Seume in Bronze ausgeführt, geschenkt worden, mit der Bedingung, daß dasselbe entweder im Vereinslocale oder an einem öffentlichen Platze unserer Stadt aufgestellt werde, da Bremen ja in Bezie- hungen stehe zu den Schicksalen des Dichters wegen der durch Bremer Bürger beförderten Flucht desselben von hessischen Werbern im Jahre 1783. (16)
Der Antrag ist auf den 18. Januar 1864 datiert – reichlich kurz vor dem Geburtstag des Dichters am 29. Januar, zu dessen Feier es eingeweiht werden sollte. Oder nutzte man das Datum, um dem Se- nat Dampf zu machen? Schon zwei Tage nachdem der Schriftführer des Vereins, der Kaufmann Carl Emanuel Schellhaß, den Antrag aufgesetzt, unterzeichnet und nebst einer Zeichnung des geplanten Denkmals eingereicht hatte, entschied das Gremium. Und zwar positiv. Vielleicht überzeugte es der Hinweis im Antrag, Bremen könne sich schließlich „nicht rühmen [...] einen Überfluß an öffentlichen Denkmalen zu besitzen“ (17). Diesen Missstand beklagte übrigens auch der Stifter Allmers gelegentlich – und bewies damit nicht nur Ge- schick als PR-Mann. Er hinterließ uns Nachkommen ganz nebenbei eine Begründung für die verblüffende Fülle von Denkmalen aus dem 19. Jh. in deutschen Städten: Bis dahin war das historische Interesse der Bürger deutlich begrenzter gewesen.
Aber warum entwickelte (und vermittelte) Hermann Allmers das Interesse ausgerechnet für den aufmüpfigen Aufklärer, Wanderer und (zumindest aus seiner Sicht) Deserteur Seume?
Johann Gottfried Seume
Klein soll er gewesen sein, kaum größer als 150 cm, eine tiefe und barsche Stimme soll er gehabt haben, ein guter Freund soll er seinen Freunden gewesen sein, ein unermüdlicher Wanderer war er ganz bestimmt: Johann Gottfried Seume, ein Schriftsteller, dessen „Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802“ noch immer viel gelesen wird. Geboren ist er 1763 in dem kleinen Dorf Poserna bei Weißenfels in Sachsen (heute Sachsen-Anhalt), südlich von Leipzig, gestorben 1810 im Kurort Teplitz, heute Teplice in der Tschechischen Republik.
Seumes Vater war ein ursprünglich wohlhabender Gastwirt und Bauer, der früh und verarmt starb. Ein Graf ermöglichte es dem offensichtlich begabten Halbwaisen Johann Gottfried gute Schulen und später sogar die Universität in Leipzig zu besuchen. Er sollte nach dem Willen seines Gönners Pastor werden. Aber den Jüngling interessierte die Theologie weniger, als das Theater und die Philosophie. Die „Aufklärer“ haben es ihm zeitlebens angetan.
Im Zwiespalt zwischen Pflicht und Neigung zeigte Seume zum ersten Mal in seiner Biographie zwei hervorstechende Charakterzüge: Unbeugsamkeit und Fluchtbereitschaft. Beugen wollte er sich seinem Schicksal nicht, aber er wollte es auch nicht auf sich nehmen – da lief er davon. Im Juni 1781 (Seume war 18 Jahre alt) machte er sich auf den Weg nach Metz in Frankreich. Dort gab es eine Militär- Akademie, die auch Bürgersöhne aufnahm. Das heißt: Seume wollte Offizier werden. Unterwegs haben ihn Agenten des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel offenbar davon überzeugt, dass es noch einen anderen Weg zu diesem Ziel gibt: Man musste sich nur als Soldat anwerben lassen. Das tat Seume denn auch – und fand sich umgehend als Rekrut auf einer Festung in Hessen wieder. Als halber Gefangener, wie er später schrieb.
Ein knappes Jahr später, im Juni 1782 sehen wir die gut gedrillte hessische Truppe auf dem Weg nach Amerika wieder. Sie war an den König von England verkauft worden, der gerade vergeblich den Aufstand jener 13 Kolonien bekämpfte, die sich im Jahr darauf als „Vereinigte Staaten von Amerika“ selbständig machen sollten. Als der Soldat Seume nach einigen Wochen auf See in Halifax (im heutigen Kanada) ankam, war der Krieg im Grunde schon vorbei. „Feindberührung“ hat die Truppe nie gehabt.
Im August 1783 werden die hessischen Truppen wieder nach Deutschland verschifft. Sie sollen weiter verkauft werden, an den preußischen König. Und dessen Offiziere hatten unter Soldaten ei- nen ganz schlechten Ruf als harte, ja unmenschliche Vorgesetzte. Zu den vielen Kameraden, die sich diesem Drill durch Flucht entziehen wollten, gehörte auch Johann Gottfried Seume. So glücklich die Flucht in Bremen zunächst verlief, so dumm endete sie nach wenigen Tagen: Seume hatte vergessen, die Uniform auszuziehen und wurde aufgegriffen. Von den Preußen.
Vier weitere Jahre lang, bis 1787, musste er in deren Dienst bleiben. Das war in Emden, der nordwestlichsten Stadt im preußischen Ostfriesland. Eigentlich hatte er dort wenig auszustehen. Denn seine Aufgabe scheint darin bestanden zu haben, Sprachunterricht zu geben. Seit seiner Schulzeit beherrschte der gelehrige Bauernsohn die „alten“ Sprachen Griechisch und Latein, hatte in Amerika Englisch gelernt, irgendwann auch noch Französisch und später sollte er auch noch Italienisch lernen.
Trotz der im Grunde guten Behandlung versuchte Seume mehrfach zu fliehen, wurde jedes Mal wieder aufgegriffen – und im Januar 1787 schließlich zum Tode verurteilt. Denn „Spießrutenlaufen“ kam einem Todesurteil gleich. Der Kommandant der Garnison begnadigte ihn und einige Bürger sammelten Geld für eine Kaution. Die hinterlegte Seume, um offiziell einen Heimaturlaub antreten zu können. Tatsächlich wusste ganz Emden: Seume kommt nicht wieder.
Wenige Wochen später sehen wir den Deserteur wieder in Leipzig, wieder als Stipendiat des Grafen, wieder als Student – aber jetzt als angehenden Juristen. Heute würde man sagen, Seume habe Philologie und Philosophie studiert. Und er schrieb. Zunächst (1788) übersetzte er einen englischen Roman (The Fair Syrian von Robert Bage) ins Deutsche, der unter dem Titel „Honorie Warren“ bei Göschen erscheint. Von dem Honorar bezahlte er den Freunden in Emden das Geld für die Kaution zurück. Und dann veröffentlichte er 1789 als erstes eigenes Werk “Schreiben aus America nach Deutschland“. Es war gleichzeitig sein erster Reisebericht.
1791 promovierte Seume zum Magister Artium und im März 1792 beendete er seine Studien mit der Habilitation. Der frisch gebackene Privatdozent Seume steckte in einem Dilemma: für die schlecht be- zahlte akademische Karriere fehlte es ihm an Geld. Für eine Karriere als Offizier in Deutschland fehlte ihm der Adelstitel. Aber Seume hat- te eine wertvolle Bekanntschaft gemacht: Gustav Andreas Otto von Igelström. Bei diesem livländischen Grafen, der in Leipzig lebte, hatte er sich während des Studiums ein wenig Geld als Erzieher ver- dient. Und der empfahl ihn an einen Verwandten, an den russischen General Otto Heinrich von Igelström (1737-1823).
Ab Januar 1793 sehen wir Johann Gottfried Seume als Sergeanten, bald darauf sogar als Leutnant à la suite, beim Petersburger Grenadierregiment in Polen stehen. Sein Chef kommandierte die Besatzungstruppen in Warschau. Ganz glücklich ist Seume nicht in dieser Lage gewesen. Später sollte er gar behaupten, er sei „durch Zufall“ Leutnant der Zarin geworden. Aber Katharina II. galt seinerzeit im- merhin als eine aufgeklärte Monarchin, der er noch viel später (1797) sogar eine Abhandlung widmete: "Ueber das Leben und den Karakter der Kaiserin von Rußland Katharina II“.
Richtig unangenehm wurde seine Lage im April 1794, als in Warschau der Aufstand unter Tadeusz Kosciuszko (1746-1817) ausbrach, der bekanntlich niedergeschlagen wurde und zur dritten und letzten Teilung, ja zum Ende des Staates Polen führte. Seume über- lebte nur knapp einen blutigen Angriff auf das Hauptquartier der Beatzungstruppen - indem er sich auf dem Dachboden versteckte. Dann begab er sich in polnische Kriegsgefangenschaft und ließ sich im November von General Suworow (1730-1800) befreien. Vergeblich half er seinem Chef Igelström auf dessen Gut bei Riga eine Verteidigungsschrift zu verfassen, gegen den Vorwurf, beim Aufstand versagt zu haben. Im August 1794 schickte der General ihn fort, als Begleiter eines verwundeten Majors.
Die Reise sollte eigentlich nach Italien führen, endete freilich wegen der unsicheren politischen Lage in Italien bereits in Leipzig. Hier fand Seume Zeit zum Schreiben. Sein Bericht über die Vorfälle in Polen erschien 1796, ebenso ein erstes Gedichtbändchen, das er nach dem Kleingeld der Griechen bescheiden „Obolen“ nannte. Seume lernte in Leipzig und bei kleinen Reisen in die Umgebung interessante Menschen kennen: Der Vorkämpfer der lettischen Freiheit Garlieb Merkel (1769-1850) und Friedrich Schiller gehören dazu. Vor allem aber verliebte sich der bärbeißige Leutnant im Herbst 1795 in eine gewisse Wilhelmine Röder. Unglücklich und folgenreich.
Unglücklich in so fern, als die junge Frau ihn nicht heiraten wollte und er das nicht begriff. Folgenreich in so fern, als sich Seume genötigt sah, seine militärische Karriere zu beenden, um in Leipzig das bürgerliche Leben zu beginnen. Ausgerechnet in diesem Augenblick, am 27.11.1796, starb die Zarin Katharina II. und ihr Nachfolger Paul I. berief alle Offiziere heim ins Reich. Seume stellte sich taub und blieb in Leipzig.
Umgehend hatte er Anlass, diesen Entschluss zu bereuen. Seine Braut heiratete nämlich einen Anderen und sein Zar zeigte sich ungehalten, sah in ihm fast einen Deserteur. Seume erwirkte immerhin eine reguläre Entlassung aus der Armee, wenn auch ohne Pensi- onsanspruch. Und er bekam seine erste, feste zivile Anstellung. Mit 37 Jahren. Als Korrektor, Lektor und Vertrauter des Leipziger Verlegers Georg Joachim Göschen (1752-1828). Dem ging es damals richtig gut. Er konnte sich in Grimma bei Leipzig eine Druckerei leis- ten und im nahen Hohenstädt ein kleines Landgut. Seume hatte in Grimma Arbeit, aber er litt. Unter seiner gescheiterten Liebesaffäre, unter Auseinandersetzungen mit dem Dichter Klopstock und ganz allgemein unter der „sitzenden Tätigkeit“. Zum Schreiben kam er auch kaum.
Immer drängender wurde sein Wunsch, nach Italien zu reisen. Am 6. Dezember 1801 brach er, mit einem Geldgeschenk seines Freundes, des Dichters Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 -1803) in der Tasche, zu seinem legendären „Spaziergang nach Syrakus“ auf, der eigentlich ein Gewaltmarsch war: Überwiegend zu Fuß legte er in neun Monaten etwa 6.000 km zurück und war im August 1802 wieder zu Hause. Die bekanntesten Orte seiner Reise: Wien, Venedig, Rom, Neapel, Palermo, Syrakus, Florenz, Mailand, Paris.
Der Bericht über diese Reise erschien ein Jahr später unter dem Titel „Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802“ und wurde ein Best- seller, der noch heute viel gelesen wird. Mit ihm wurde Seume end- lich ein bekannter Schriftsteller. Und mit diesem Werk begründete er seinen Ruf als politischer Autor.
Seume hatte kaum das Manuskript des „Spaziergangs“ abgeschlossen, da erkrankte er im Mai 1803 erstmals schwer. Vermutlich war es ein Blasen- oder Nierenleiden, dass ihn (wie schon seinen Vater), schließlich sogar das Leben kosten sollte. Einstweilen lebte er, mehr schlecht als recht, als freier Schriftsteller und Sprachlehrer in Leipzig. Er wanderte viel, unternahm viele kleinere Reisen in Deutschland, besuchte Freunde, schrieb Gedichte, Essays, Nachrufe und Vorworte, arbeitete für zahlreiche Zeitschriften und Herausgeber, zusammen mit bekannten Leuten seiner Zeit – und lehnte alle Angebote ab, die ihn wieder in ökonomisch gesicherte Verhältnisse hätten füh- ren können. Stattdessen verliebt er sich wieder, dieses Mal in seine Sprach-Schülerin namens Johanna Loth. Und wieder unglücklich.
Diese zweite persönliche Katastrophe veranlasste ihn zur zweiten großen „Ausflucht“. Es war wirklich eine Flucht, die Seume 1805 erneut in die Ferne trieb. Dass er nach Polen, Russland, Finnland, Schweden und Dänemark reiste, war fast ein Zufall. Fast. Denn Seume schien endlich erkannt zu haben, dass sich ein kränklicher Mann mit Schreiben und Lehren allein nicht ernähren kann. Er erin- nerte sich an die einst verpasste Möglichkeit, als ehemaliger Offizier der russischen Armee eine Art Ruhegehalt zu beziehen und antichambrierte bei vermeintlichen Gönnern. Vergeblich.
„Mein Sommer 1805“: so nannte Seume den Bericht über diese zweite seiner großen Reisen, der 1806 erschien. Nach der Rückkehr unternahm er nur noch kleinere Ausflüge in der Kutsche. Etwa nach Weimar, wo er von der Familie des Herzogs freundlich empfangen wird. Ansonsten schreibt er. Vor allem bittere Bemerkungen für eine Aphorismen-Sammlung, die er selber „Apokryphen“ nennt. Ganz zuletzt beginnt er seine Lebenserinnerungen zu schreiben.
Immer kränklicher ist der Schriftsteller geworden, immer ärmer und immer verzweifelter. Immer häufiger spielt er mit einem alten Gedanken, dem Gedanken an Selbstmord. Es sind seine vielen Freunde und Freundinnen, nicht nur in Leipzig, die ihm helfen. Vermutlich auch finanziell. Einer bietet sich zu einem letzten Vermittlungsver- such in Sachen „Pension“ an: Der Dichter Christoph Martin Wieland (1733-1813) schreibt an die Zaren-Mutter, die Seume im Sommer 1805 kennen gelernt hatte. Und die berühmte baltendeutsche Frei- frau Elisabeth von der Recke (1754-1833) nimmt ihn mit zur Kur nach Teplitze, heute Teplice in der tschechischen Republik. Sie ist Seume nahe, als er am 13. Juni 1810 stirbt. Sie sorgt für eine würdi- ge Beerdigung und für ein Denkmal in Teplitz. Es wäre das einzige Seume-Denkmal, gäbe es da nicht noch eines in Bremen.
Übrigens: Wenige Tage nach Seumes Tod hält Wieland endlich das lang ersehnte Schreiben aus Russland in der Hand: Die Pension ist bewilligt.
Hermann Allmers
Der Stifter des Seume-Denkmals in Bremen war von Beruf Bauer. Erbe eines großen und reichen Hofes in Rechtenfleth, einem kleinen Dorf an der Unterweser zwischen Bremen und Bremerhaven, in den fruchtbaren „Marschen“, dem Schwemmland im heutigen . Von Berufung war Allmers Maler und DichLandkreis Cuxhaventer. Er ist als Namensgeber vieler norddeutscher Schulen und Straßen bis heute bekannt, in einschlägigen Krei- sen auch als Autor des volks- und landeskundlichen Standartwerks „Marschenbuch“, als Texter des Studentenliedes „Dort Saaleck, hier die Rudelsburg“ und des romantischen Brahms-Liedes „Feldeinsamkeit“.
Hermann Allmers stammt aus einer wohlhabenden und angesehe- nen Familie, die regelmäßig Deichvögte stellte. Auch Hermann All- mers übte dieses, hierzulande wichtige, Amt zeitweilig aus. Trotz eines deformierten Gaumens, der ihn beim Sprechen behinderte, war er nicht nur auf kommunaler Ebene politisch tätig. Er nahm als Agita- tor an der bürgerlichen Bewegung teil, die in der ersten Hälfte des Jahrhunderts Deutschlands Einheit als Republik anstrebte. Offenbar stammt seine Verehrung für Seume aus dieser Zeit als „48er“:
Als ich im vorigen Oktober in Kassel war und spät abends die breiten Straßen und Plätze durchschlendernd plötzlich vor der dunkeln niederen Mauermasse der unvollendeten Kattenburg (18) stand, da war mir ein vortrefflicher Gedanke gekommen: für das Schand- und Blutgeld der verkauften zwölftausend Landeskinder sollte dieser riesige Palast gebaut werden – davon ein Würfelquader, das wäre der rechte Denk stein für Seume .(19)
Dieses Bekenntnis hat Allmers 1858 notiert, ein Jahrzehnt nach der gescheiterten Revolution von 1848. Verleugnet hat Allmers seine revolutionäre Jugend also nicht. Er hat sogar noch in den 1880er Jahren die Biographie von „Hauptmann Böse“ verfasst, einem alten Mitstreiters aus jener Zeit, der übrigens schon an den Befreiungskriegen zu Beginn des Jahrhunderts beteiligt gewesen war (20).
Revolutionäre Ideen verblassten freilich allmählich zu einer eher nostalgischen Erinnerung, die allenfalls in kleinem Kreise und in Briefen (vor allem an seinen Freund Theodor Menke (21) eine Rolle spielte - und einige seiner Freunde erschreckt zu haben scheint. So fürchtete der Bildhauer Victor von Meyenburg (siehe unten), nach einer langenBriefpause im Jahre 1859, Allmers sei womöglich „im spionenbesetzten Neapel auf einer für Freiheit schwärmenden Rede erfasst“ worden(
Aber vielleicht war der Marschenbauer weniger politisch als begeisterungsfähig – und schon mit dieser Eigenschaft nicht untypisch für seine Zeitgenossen. Dieser Eindruck drängt sich jedenfalls bei der Lektüre des umfangreichen Briefwechsels zwischen ihm und seinen Freunden auf (23). Ganz offensichtlich (vielleicht auch: nur offensichtlich) entwickelte Allmers im Alter zu einem Nationalliberalen und Kaiser-Verehrer, dessen Patriotismus zumindest aus heutiger Sicht in seiner Emphase bis zur Peinlichkeit penetrant wirkt. Schon gegen Ende 1848 hatte er zu zweifeln begonnen:
Die Revolution ist also nur halb, nur ein derber Ruck gewesen, der uns dahin gebracht, wohin wir schon 1830 wollten. Aber die Freiheit wird nicht untergehen, sie ist göttlich - also auch unsterb- lich. Und wer weiß, ob’s nicht gut ist, daß wir noch nicht gleich zur Republik gelangt sind und eine Übergangsperiode haben. Sind wir schon echte Republikaner? (24)
Mit der Anpassung an die realen politischen Verhältnisse bildete (und bildet!) der Marschendichter Allmers sicherlich keine Ausnahme. Wie viele Zeitgenossen und Nachfahren blieb er im Grunde ein unkritischer Mitläufer des jeweiligen Zeitgeistes. Zumindest auf den ersten Blick unterscheidet er sich somit von Seume, in dem schon viele Zeitgenossen einen eher unangepassten Kritiker der herrschenden Verhältnisse sahen.auch Seume erhoffte sich von starken Führern, und seien es die oft geschmähten Fürsten, das Heil der Nation, deren Wohl ihm zunehmend am Herzen lag. Und was den Begriff „Republik“ betrifft, so bezeichnete Seume (wie seinerzeit durchaus üblich), sogar im Gegensatz zu Allmers jeden „vernünftig“ regierten Staat – wie immer der Herrscher legitimiert war (25).
Außerdem hat Allmers „seinen“ Seume auch nicht nur als republikanischen Agitations-Kollegen gewürdigt, sondern auch als Mensch und Autor. Noch in der vierten Ausgabe des „Marschenbuchs“ (erschienen: Oldenburg 1902) schrieb er:
Wer sollte ihn nicht lieben und hoch verehren, ebenso seines Charakters und seiner traurigen Schicksale als seiner Lieder wegen – den armen Seume? (26)
Wenn nicht als Revoluzzer, dann als vom Schicksal gebeutelter Dichter genoss Seume im 19. Jh. offenbar eine gewisse Volkstüm- lichkeit – und traf auch in dieser Hinsicht den Geschmack von Hermann Allmers. Der Autodidakt, der weder eine Schule noch eine Universität besucht hatte, gab sich selber gerne volksnah und gestand gelegentlich, dass ihn an archäologischen Exkursionen nicht zuletzt der übliche Umtrunk in geselliger Runde reizte. Immerhin, der philosophischen Fakultät der Heidelberger Universität war seine „seltene Begabung und Schaffenskraft“ einen Doktortitel honoris causa wert (27). Und er scheint seinen Seume auch inhaltlich so verstanden zu haben, wie dieser sich selber sah:
Ehrendenkmäler haben wir genug, dies (Anm.: das Denkmal in Bremen) wird nun einmal ein ernst mahnendes Denkmal einer Schmach und Schande jener Fürstenrasse sein, die noch heute ihr Blut nicht verleugnet. (28)
Aber wie wurde Seume denn in den Jahrzehnten nach seinem Tode 1810 eigentlich verstanden? Gekannt hat man ihn, bis in Fürstliche Kreise. So notierte Allmers 1858 zum Thema Seume-Denkmal:
Das Bronzerelief (in München gegossen) ist fertig und schon in Bremen und vortrefflich ausgefallen, daß es in München, wo es ausgestellt war, allgemeines Lob gefunden hat. Ebenso fand mein Vorhaben dort warme Anerkennung, und selbst König Max hat sich herzlich darüber gefreut. (29)
Ein deutscher König als Seume-Verehrer? Selbst wenn man be- denkt, dass Maximilian II. von Bayern kein sonderlich reaktionärer Fürst war, ist es verblüffend, in welchen Kreisen Seume verehrt wurde. Vor allem wenn man bedenkt, dass der Begriff „Patriotismus“ schon zu Seumes Zeiten für ein geeintes Deutschland zu stehen begann. Allmers jedenfalls scheint seinen Seume als einen Gegner jener Fürsten gesehen zu haben, die zur Zeit Napoleons ihr Eigeninteresse über das Interesse der deutschen Nation stellten:
Nicht Seumes Person allein gilt jenes Denkmal, obwohl er zu den Edelsten und Besten seiner Zeit gehörte und ein echter deutscher Mann in der schönsten Bedeutung des Wortes war. Nein, viel- mehr soll es dastehen als ein ernstes, mahnendes Denkmal an eine dunkle traurige Zeit voll Schmach und Erniedrigung. (30)
Mit dieser Interpretation des Anliegens von Seume lag Hermann Allmers vermutlich nicht falsch. Freilich, wie leicht es missverstanden oder missdeutet werden konnte (und kann), demonstrierte er indirekt in seinem zweiten großen Werk (als erstes gilt sein „Marschenbuch“). „Römische Schlendertage“ nannte er seinen Reisebericht aus Italien, wo er sich in den Jahren 1858 und 1859 aufgehalten hat (31). Der Titel erinnert sicher nicht zufällig an Seumes „Spaziergang nach Syrakusim Jahre 1802“ (32). Und er enthält sogar ein Kapitel über Sizilien. Inhaltlich ähneln sich die Werke weniger
Eher naive Begeisterung für das romantisch erlebte Italien als Kritik an herrschenden Zuständen oder auch nur Hinweise auf politische Umstände sprechen aus den „Schlendertagen“. Dabei erlebte Allmers den Freiheitskampf der Italiener am Vorabend von Garibaldis Siegeszug hautnah – und hat seine Sympathie für die italienische Befreiungsbewegung sowie seine Vorbehalte gegen die überwiegend Österreich freundliche Haltung der Deutschen Künstler-Kolonie in Rom in Briefen an Theodor Menke sogar geäußert.
Allmers’ „Schlendertage“ trafen den Geschmack eines breiten Publikums und erlebten zwölf Auflagen. Das Buch erschien zwar erst 1869, aber schon im Sommer 1858 hatte sich der norddeutsche Dichter auf den Weg nach Italien gemacht – wenige Monate nach- dem sein „Marschenbuch“ auf den Markt gekommen war. Mit diesem Werk profilierte sich Allmers als Pionier auf dem Gebiet der regionalen Historiographie. (33)
Bei allem Dilettantismus, den er als Archäologe und Sammler an den Tag legte: zumindest für Norddeutschland ist die Bedeutung dieses Autodidakten sehr hoch einzuschätzen. So geht das angesehene „Morgenstern-Museum“ in Bremerhaven auf eine Gründung der „Männern vom Morgenstern“ zurück, einer geselligen Runde, die Hermann Allmers in der Gaststätte „Zum Morgenstern“ um sich gesammelt hatte. Auch in Bremen fand Allmers einen derartigen Kreis, der sich anfangs „Kneipe“ nannte. Aus ihm entstand der „Künstlerverein“, dem die Hansestadt unter anderem ihre Kunsthalle verdankt(34) - und das Seume-Denkmal. Seinen Bekanntenkreis suchte und fand Allmers eher in der Ferne, auf Reisen. In Rom verstand er es, deutsche Künstler zur feuchtfröhlichen „Colonna-Gesellschaft“ um sich zu scharen (35). Viele von ihnen bereicherten fortan den ohnehin großen und weiter wachsenden Kreis von Freunden, dessen stets freundlichen und nicht selten nützlichen Mittelpunkt Allmers bildete: Wer sich auf ihn berufen konnte, dem öffneten sich viele Türen. Auch Victor von Meyenburg hat sich bemüht, von den guten Beziehungen des rührigen Bauern zu profitieren:
– Jetzt kömt noch eine Geschäftssache; da ich nämlich ein ¾ lebensgroße Gotthelfbüste modelliert und vervielfältigt habe, so möchte ich Dich bitten, mir doch in Deinem nächsten Briefe zu schreiben, wie ichs wohl anstellen müsste, dieselbe im Bremer Kunstverein auszustellen, was ich eben gern thun möchte, ehe ich weiß, daß er in der alten Handelsstadt viele Verehrer hat. (36)
Außer den jungen Schweizer betreute Hermann Allmers noch eine ganze Reihe von Nachwuchskünstlern. Im Briefwechsel mit von Meyenburg spielt vor allem Heinrich von Dörnberg (1831-1905) eine große Rolle, der großen Anteil an der Ausgestaltung des Marschenhofes in Rechtenfleth hat. Dieser introvertierte und sensible Historienmaler gehörte in München und in Berlin zu den engsten Freunden des eher lebenslustigen Schweizers von Meyenburg, der beider Mentor auf dem Laufenden hielt:
[...] Freund Dörnberg weilt gegenwärtig mit seiner Familie in Putbus auf Rügen; er ist nun seit leztem Frühjahr Schüler von Professor Schrader, von seinen fleißigen Arbeiten habe ich noch nichts gesehen. Der gute Bursche steht immer noch auf schwankenden Beinen, was den seinigen viel Kummer verursacht. Sein Vater, der zwar sehr geduldig ist, meint nun doch, es wäre jezt an der Zeit daß er einige Früchte nach dem langen Studium sehen sollte.(37)
Zu den bedeutenderen Freunden und Bekannten des Marschenbau- ern gehören der Naturforscher Ernst Haeckel (1834 - 1919), die Politiker Rudolf von Benningsen (1824 - 1902) und Maximilian Freiherr von Gagern (1810 - 1889), der Maler Franz von Lenbach (1836 - 1904) sowie die Dichter Victor von Scheffel (1826 - 1868) und Paul Heyse (1830 – 1914) (38). Allmers genoss den Umgang mit geistreichen Menschen – und hatte nichts dagegen, wenn sie ein „von“ im Namen trugen. Er hielt sich selber für einen Nachfahren eines Frie-sen-Häuptlings, der die Erhebung in den Ritterstand durch Kaiser Friedrich I. „Barbarossa“ aus Stolz abgelehnt hatte (39). Allmers’ umfangreicher Briefwechsel ist teilweise veröffentlicht worden und füllt ganze Bücher – viele Schreiben harren jedoch noch ihrer Auswertung.
Anregender Mittelpunkt einer unermesslichen Schar von Freunden: Nicht zufällig erinnert dieser Zug Allmers’ an den Dichter Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 - 1803). Tatsächlich hat dessen „Freundschaftstempel“ in Halberstadt den Bauern in Rechtenfleth in- spiriert, sein Elternhaus zu einem norddeutschen Gegenstück zu gestalten. Man kann ihn besichtigen, den „Marschenhof“, der eine Art Heimvolkshochschule werden sollte und das etwas bizarre Denkmal seines Bewohners und seiner Maler-Freunde wurde, die es nach seinen Wünschen ausgestalteten und ausmalten. Unverändert, so wie es Hermann Allmers ihn bei seinem Tode im Jahre 1902 hinter- ließ, ist das Anwesen erhalten: von vorn ein Bauerhof, von hinten eine säulengeschmückte Villa, umgeben von einem Garten, dem spät- klassizistische Statuen einen Hauch von Italien verleihen – und einen reizvollen Kontrast zur norddeutschen Umgebung bilden.
Als bemerkenswertestes Werk im Rechtenflether Marschenhof gilt das Portrait des Hausherren, das Franz von Lenbach 1895 malte. Am auffälligsten hat sich Heinrich von Dörnberg verewigt: Zehn Jah re lang malte er an einem Bilderfries, gewissermaßen die Illustration zu Allmers’ Gedichtzyklus „Historische Marschenbilder“. Beider Freund Victor von Meyenburg hingegen hat nur ein einziges Werk in Rechtenfleth hinterlassen: Eine bronzierte Gipskopie des Seume- Madaillons, von dem hier die Rede ist. Es dürfte sich um jenes Exemplar handeln, von dem der Bildhauer in seinem Brief vom 12. Mai 1858 schrieb.
Das Medaillon ist eng mit dem „Marschenbuch“ verknüpft, obwohl Allmers Seume in der ersten Auflage gar nicht erwähnt. Sie kam kurz vor seinem Aufbruch nach Italien 1858 auf den Markt. Der Verleger hatte den Text arg verstümmelt und verunstaltet, ging umgehend Pleite und, was den Autor besonders schmerzte, er blieb ihm das Honorar schuldig. Dabei hatte Allmers das Geld schon verplant:
Vom Honorar wollte ich an der Stelle des Hunteufers, wo Seume entfloh (40), ja einen Denkstein mit seinem Reliefbildnis errichten. ... Nun wird die Errichtung des Denksteins natürlich erst nach meiner Italienreise geschehen (41).
Es gab noch jemanden, den die Verzögerung schmerzte. Den Schöpfer des Portrait-Reliefs, Victor von Meyenburg.
Victor von Meyenburg
Im August 1858 war Hermann Allmers zu seiner lang ersehnten Italien-Reise aufgebrochen – und zunächst in München hängen geblieben. Dort hielten ihn den ganzen September eine Kunstaustellung, das Stadtjubiläum (München wurde 700 Jahre alt) und zahlreiche alte und neue Freunde auf:
Riehl, Emanuel Geibel, Paul Heyse, Kaulbach, Moritz von Schwind usw. und nun erst die noch namenlosen Leute, die ge- rade die liebsten Menschen dort waren, vor allem die beiden Maler Heinrich von Dörnberg und Otto Knille und dann der junge Bildhauer Victor von Meyenburg.(42)
Allmers hatte Victor von Meyenburg schon im Vorjahr kennen gelernt, als er sich erstmals und mit wachsender Begeisterung in den Münchner Künstlerkreisen herumtrieb:
ein junger höchst begabter Bildhauer, ein wahres Kind an Gemüt; aber Du solltest staunen, wenn Du seine Arbeiten, seine Büsten und seinen Theseus sähest(43).
Erstaunlich kurz fällt die Notiz zu diesem Bildhauer im renommierten Künstlerlexikon „Thieme-Becker“ aus:
Meyenburg, Victor von, Bildhauer, geb. 25.9.1834 Schaffhausen, gest. 16.2. 1893 in Dresden, Schüler von J. J. Oechslin u. Hugo Hagen, 1862 in Rom. Dekor. Arbeiten für Landesmus. u. Poly- technikum Zürich. Büsten: Maler L. Vogel u. Bürgermeister J. J. Heß im Kunsthaus Zürich.(44)
Und diese Angabe ist auch noch falsch: Nicht das Landesmuseum hat von Meyenburg verziert, sondern das sogenannte Museumsgebäude, das Palais der Museumsgesellschaft in Zürich am Limmatquai 62 (45). Diese hätte sich zur Vermeidung von Missverständnissen bei ihrer Gründung im Jahre 1834 wohl besser „Lesegesellschaft“ genannt (46). Es handelte sich um eine jener Einrichtungen, die sich im Verlauf und im Gefolge der Aufklärung des 18. Jh. Bürger vieler eu- ropäischer Städte leisteten, um Zeitungen und Bücher lesend und über die Lektüre „raisonierend“, die gesellschaftlichen, politischen und eigenen Verhältnisse zu begreifen. Die aufgeklärten Intellektuellen in Zürich hatten genügend Geld, sich ein eigenes Haus in bester Lage zu gönnen (und genügend Kaufmannsgeist, das Erdgeschoß an Ladengeschäfte zu vermieten). Das Gebäude wurde, nach einjähriger Bauzeit, 1867 fertig und existiert noch immer, genauso wie die Museumsgesellschaft. In ihrem Archiv befinden sich die Bauakten – und darin einige Bemerkungen von und zu Victor von Meyenburg.
Allmers’ Freund Victor von Meyenburg erweist sich zumindest als Mitwirkender an dem Bau der aufklärerisch gesinnten Schweizer als Seume nahe. Er hat die zwei „Atlanten“ geschaffen, die den Haupteingang des Gebäudes flankieren. Auch die Hochreliefs stammen von ihm, die sich als eine Art Fries um den ausgedehnten Komplex oberhalb des Erdgeschosses ziehen. Sie zeigen Menschen, teilweise fast karikierende Brustbilder von mehr oder minder exotischen Figuren mit merkwürdigen Kopfbedeckungen: Turban, Mütze, Hut ...
Heute kann kaum ein Nutzer und Besucher des Hauses die Verkleidungen erklären. Die Lösung des Rätsels hat der Protokollant der Präsidiumssitzung der Lesegesellschaft vom 30. Juni 1867 notiert, deren Präsidenten zitierend:
Da in dem Museumsgebäude Nachrichten aus aller Herren Län- der zusammentreffen, so habe Herr von Meyenburg die Idee, dieses bildlich darzustellen und habe infolgedessen bis jetzt einen englischen Matrosen & einen Russen modelliert & so in diesem Sinne werde er diese Sache fortsetzen (47).
Das tat er denn auch. Freilich, bekannt hat ihn sein fröhliches Fleißwerk nicht gemacht. Auch wenn sich das „Schweizeriche(s) Künstler- Lexikon“ etwas breiter als der “Thieme Becker“ über Victor von Meyenburg auslässt: Seinen Landsleuten scheint sein Werk nicht besonders am Herzen zu liegen. Von den Arbeiten dieses Künstlers haben sich jedenfalls im öffentlichen Raum von Zürich nur die Dekorationen an besagtem Gebäude erhalten. Dass seine Minnesänger-Statue „Hadloub“ 1990 einem Sturm zu Opfer fiel, hat bis lange kaum jemand bemerkt. Dabei steht der leere Sockel im viel besuchten „Platzspitz“, einer Grünanlage am Zusammenfluß von Limmat und Sihl, gleich hinter dem Landesmuseum. Einschlägige Druckwerke bezeichneten die Statue noch 2003 als existent und standorttreu.
Eines der Hauptwerke von Meyenburgs, die zu 2/3 lebensgroße Statue des Theseus, einen Stein hebend, kennt man selbst in der Geburtstadt des Künstlers, in Schaffhausen, nicht wirklich. Die Statue steht dort zwar im „Allerheiligen-Museum“ – aber in der naturkundlichen Abteilung. Als namenloses Beispiel dafür, was man aus Gips so alles machen kann. Unerwähnt bleibt auch ihr Schöpfer. Dabei hatte sich von Meyenburg so viel Mühe gegeben, wie er Hermann Allmers in seiner launigen Art mitteilte:
Mein Theseus ist noch nicht ganz fertig; Ich weiß nicht ob es ihm vor 3000 Jahren beim Steinaufheben so warm geworden als mir jezt bei seiner Nachbildung (48).
Auch wenn das Zürcher „Kunsthaus“ noch drei kleinere Arbeiten des Künstlers besitzt: Die Ignoranz der Schweizer gegenüber ihrem Landsmann verblüfft. Sie lässt sich womöglich aus der Tatsache er- klären, dass Victor von Meyenburg einen großen Teil seines Lebens in Deutschland verbrachte. Vor allem in Dresden müsste er eigentlich an Gebäuden, in Museen und in Archiven eine breite Spur hinterlassen haben: Von 1869 bis zu seinem Tode hat er immerhin 24 Jahre lang in der Elbmetropole seinen Hauptwohnsitz unterhalten.
Doch in Dresden scheint der Bildhauer noch unbekannter zu sein, als in Zürich und Schaffhausen. Nach den bisherigen Recherchen haben sich hier keine Meyenburg-Arbeiten erhalten. Selbst die Häu-ser, in denen der Künstler mit seiner Frau Constance und einer wachsenden Kinderschar wohnte, sind allesamt im zweiten Weltkrieg zerstört worden. Löbtaustraße 1: Ein Trümmergrundstück. Feldgasse 8 (wo er sein erstes Haus kaufte (49): Plattenbauten. Ammonstraße 4 und 7: Grünstreifen an einer Schnellstraße. Immerhin, die Kreuzkirche ist wieder errichtet worden, in der etliche Meyenburg-Kinder getauft wurden (50).
Spuren hat von Meyenburg an der Elbe nur in (wenigen) Akten hinterlassen: Im Dresdner Stadtarchiv findet sich in dem noch nicht katalogisierten Teil des Ratsarchivs der Hinweis, dass ihm am 25. April 1871 die Bürgerrechte der Stadt zuerkannt wurden. Und das Kir-chenbuchamt des Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeindeverbands bewahrt die Akten über fünf Taufen und eine Hochzeit von Kindern des Künstlers auf. Sicher ist danach (und laut Familienchronik), dass er neun Kinder hatte, von denen acht erwachsen wurden:
Fritz, 07.07.1867geboren in Zürich-Selnau
Elisabeth, 29.08.1868 geboren in Zürich-Selnau (heiratet am 29.12.1893 in Dresden)
Konrad, 13.07.1870 geboren in Dresden
Constance, 20.05.1872 geboren in Dresden
Anna, 06.06.1874 geboren in Dresden
Ernst, 19.09.1876 geboren in Dresden
Walter, 31.03.1880 geboren in Dresden (stirbt mit 4 Jahren in der Schweiz)
Marta, 10.11.1882 geboren in Dresden
Hanns, 06.06.1887 geboren in Dresden
Außerdem findet sich beim Kirchenbuchamt in Dresden ein Auszug aus dem Bestattungsregister. Danach ist Victor Franz Anselm von Meyenburg aus Schaffhausen, „Bildhauer hier, reform(ierter) Christ“, in Dresden am 16. Februar 1893 um fünf Uhr morgens verstorben. Die Todesursache ist nicht vermerkt.
Weitere aussagekräftige Unterlagen finden sich im Nachlaß von Hermann Allmers, im Archiv des Landkreises Cuxhaven. Hier, in Ot-terndorf an der Elbe (wo einmal Johann Heinrich Voß lebte), werden einige Briefe des Bildhauers an seinen Freund und Auftraggeber aufbewahrt.
Eine reiche Quelle sprudelt schließlich doch noch in der Schweiz, auf privatem Grund und Boden, auf dem Weingut „Die Schipf“ in Herrliberg am Zürichsee. Dort steht, von Reben gesäumt, sogar eines der wichtigsten Werke des Künstlers, zudem das einzige in Dresden entstandene und erhaltene: die lebensgroße Bronze-Statue eines jungen Mädchens mit einem Krug in der Hand. „Die Wiese“ symbolisiert den Fluß gleichen Namens, den der Dichter Johann Peter Hebel in allemanischer Mundart besang.
Hausherr der „Schipf“ ist Kaspar von Meyenburg, ein Mikrobiologe, der seinen Lehrstuhl in Kopenhagen zu Gunsten der Landwirtschaft verließ. Er ist ein Urenkel des Bildhauers und verwahrt außer etlichen Werken seines Vorfahren auch das Manuskript der Familiengeschichte (51) (Hans von Meyenburg: „Schipf-Chronik. Victor von Meyenburg + Constance von Meyenburg und ihre Kinder. 1834-1972“ unveröffentlichtes Typoskript). Leider fehlen die Quellen, auf die sich der Autor, Hans von Meyenburg, beruft. Dieser Vater des Weinbauern und Enkel des Bildhauers schreibt seinen Vornamen mit einem einzigen „N“. Das ist wichtig: Auch sein Vater, Victors Sohn, hieß Hanns, aber mit zwei „N“. Auch er ist Autor eines Quellenwerkes für Meyenburg-Forscher: Die Chronik „Die Schipf in Herrliberg“ erschienen 1957 in Zürich. (52)
Bei aller Vorsicht gegenüber dem Wahrheitsgehalt von Familienchroniken lässt sich auf ihrer Basis, aufgrund der Angaben aus den genannten Nachlagewerken und seinen Briefen an Hermann Allmers die Lebensgeschichte Victor von Meyenburgs rekonstruieren: Er ist am 25. September 1834 in Schaffhausen geboren, als neuntes von zehn Geschwistern und als Sprössling einer außerordentlich angesehenen Familie, deren Stammvater ein Arzt war, der 1706 vom Kaiser in den Adelsstand erhoben worden war. Seine Nachkommen stellten in Schaffhausen sowohl Ratsherren als auch etliche Bürgermeister. Dieses Amt hatte sogar Victors Vater inne, Anselm Franz von Meyenburg (1788-1864), – bis er auf Abwege geriet und das Vermögen der Familie verspielte. Er soll wirklich, heißt es verstohlen im Familienkreis, „gejeut“ haben. Tatsache ist: Anselm Franz musste seine Heimatstadt und seine verarmte Familie verlassen und in der Fremde Geld verdienen. Sein Sohn Victor verehrte ihn angeblich lebenslang.
Victor von Meyenburg verbrachte nach dem familiären Unglück Kindheit und Jugend bei seiner Schwester Sophie (1818-1870) die den Pfarrer Conrad Hirzel (1804-1884) geheiratet hatte, im Zürcher Dörfchen Weiach. Bis er eine zweijährige Lehre als Bildhauer begann. Der Schaffhausener Maler und Bildhauer Johann Jacob Oechslin (1802-1873) war sein erster – und entscheidender – Meister.
Oechslin gilt als ein volksnaher Künstler, der seinen Werken einen Schuss Realismus und Humor mitgab, Züge, die die oft eher pathetischen Arbeiten vieler Zeitgenossen vermissen lassen. Seinem Schüler scheint dieser fröhliche, gelegentlich satirische, Zug entgegen gekommen zu sein. In München, wo er ab 1852 die Akademie besuchte (und Hermann Allmers kennenlernte), soll er sich in Zeichnungen im Stile von Wilhelm Busch, Oberländer und Spitzweg versucht – und gehungert haben:
Später erzählte er etwa seinen staunenden Kindern, dass es in dem höchst bescheidenen Wirtshaus, wo er sein Mittagessen einnahm, keine Teller gab, sondern nur napfartige Aushöhlungen in der Tischplatte; das Besteck war an Ketten befestigt. Die Suppe wurde mittels einer Spritze in den Napf «serviert» und alsbald wieder aufgezogen, wenn der Zehner dafür nicht prompt erlegt wurde. (53)
In Berlin bildete er sich bei Hugo Hagen weiter (einem wichtigen Mit- arbeiter Christian Rauchs) und blieb zeitlebens dem realistisch gemilderten Klassizismus seiner Lehrer verpflichtet. So urteilt jedenfalls der Kunsthistoriker Dieter Ulrich aus Zürich – einer der wenigen Fachleute, die sich mit diesem Künstler befasst haben.
Diesen Experten für die Schweizer Bildhauerkunst des 19. Jh. wundert es gar nicht, dass sich der junge Victor von Meyenburg als Schüler des volksnahen Oechslin dem durchaus erdverbundenen norddeutschen Bauern Hermann Allmers anschloss. Als sich die Beiden im September 1858 in München wieder trafen, fanden sie sogar zum vertrauten „Du“ – der 37jährige Bauer und der 22jährige “liebenswürdigste Junge“ (54). Es scheint, die Freunde haben etliche Maß Bier zusammen geleert. Jedenfalls glaubte von Meyenburg sei-nem Freund Allmers noch Monate später vom Anstich des Salvator biers als relevante Neuigkeit berichten zu müssen:
Heute ist für München ein Freudentag, denn das Salvatorbier wird zum ersten Mal eingeschenkt, ich war auch ein halbes Stündchen dabei war aber in Gefahr von dem entsetzlichen Gebrüll das Gehör zu verlieren und von dem herumsprizenden Bier durchnässt zu werden. (55)
Eine gewisse Unernsthaftigkeit spielte sicher eine Rolle in der Freundschaft. Davon zeugen launige Briefstellen (56) und Hanns von Meyenburg bescheinigt seinem Vater einen „ausgeprägten Sinn für Humor“ (57) und sein Enkel Hans vermerkt: „Sein Talent bleibt ‚im heissen Streben nach dem höchsten Ideal’ stets mit Humor gepaart“ (58). Freilich, es hat Tiefpunkte im Leben des Künstlers gegeben. So hat er sich offenbar in Berlin sehr unwohl gefühlt:
[...] so gemüthlich wie in München ist’s eben hier doch nicht; kann ich ja nicht einmal in ein Haus, wo das edle Tabaks- kraut geduldet wird, das ist doch zu hart. Dann treten eben die großen Distanzen auch noch hemmend in den Weg, für einen der eben die Arbeit zu(r) Hauptsache macht. (59)
So kläglich der Weihnachtsbrief von 1859 streckenweise klingt: der junge Schweizer hat den Kopf nicht hängen lassen:
Durch gute Empfehlungen bin ich aber in manche nette Familie eingeführt worden, ich mache zwar die Soireen nicht gerne mit, aber es muß nun mal angebissen sein. (59)
Im gleichen Brief berichtete von Meyenburg seinem Freund Allmers, was ihn überhaupt nach Berlin getrieben hatte. Eigentlich habe er ja in Dresden bei Ernst Rietschel (60) die Lehre gehen wollen.
Er erklärte mir aber daß ihm seine beschränkten Räumlichkeiten nicht gestatteten, noch mehr Schüler anzunehmen, rieth mir aber dringend nach Berlin, der Residenz der Technik zu gehen. Auf diese Weise bin ich hierher gekommen und bin wirklich sehr froh darüber. Im Rauch’schen (61) Atelier, unter der Leitung Haagens (62), einemlangjährigen Mitarbeiter Rauchs, einem Mann von 43 Jahren arbeite ich jezt.
Abgeschlossen hat von Meyenburg seine Ausbildung in Rom. Wann und wie lange er dort war und was er im Mekka der Künstler seiner Zeit eigentlich trieb, bleibt unklar. Schon der Beginn des Aufenthalts in Rom wird in den erwähnten Lexikon-Notizen fälschlich mit 1859 angegeben. Nicht nur sein Weihnachtsbrief jenes Jahres an Allmers datiert noch aus Berlin, sondern auch ein Brief vom August 1860.
Sein Enkel Hans von Meyenburg weiß eigentlich nur zu berichten, Victor habe in Rom „die Lebensfreundschaft mit dem Maler Ernst Stückelberg geschlossen“ – und fährt unvermittelt fort: „1863 läßt sich Victor in Zürich nieder, und eröffnet im Künstlergut ein Atelier“ (63).
Aus dieser Einrichtung entstand das Museum „Kunsthaus Zürich“, das die Portraitbüsten des Historienmalers Ludwig Vogel und des Züricher Bürgermeisters Johann Hess sowie eine Statue der Heiligen Caecilia aus der Werkstatt von Meyenburgs besitzt. Gips-Kopien der beiden Büsten befinden sich auf der „Schipf“. Dort steht auch eine kleine Bronze-Statuette des Münchner Professors G. H. von Schu- bert, die er in einem Brief an Allmers erwähnt (64), etliche kleinere Figurinen und Studien sowie zahlreiche Medaillons in Gips. An bedeutenderen Werken finden sich hier, außer der „Wiese“: Eine Büste des Hans Caspar Escher, in dessen Familie der Schwiegervater Victor von Meyenburgs eingeheiratet hatte, und eine Portrait-Büste von Victors Sohn Ernst als Kind. Nicht zu vergessen: Eine Studie zu einem Atlas, wie er an
3.000 Franken brachten ihm die Arbeiten für den Neubau der Museumsgesellschaft ein (65). Es scheint, der Künstler lebte in Zürich von derartigen öffentlichen Aufträgen. Auf eigene Kosten hat er den Minnesänger „Hadloub“ in Stein gehauen und der Stadt geschenkt, deren Bürger er geworden war. Aber diese Werbeaktion hat sich nichtsonderlich gelohnt: Als Künstler kam Victor von Meyenburg in dieser, seinerzeit arg provinziellen Stadt nicht wirklich auf einen grünen Zweig. Gelohnt, auch materiell, haben sich führ ihn die Jahre in Zürich dennoch.
Fällt doch in diese Zeit das Ereignis, das selbst seine Nachkommen als die größte Leistung ihres Vorfahren betrachten: Victor von Meyenburg heiratete in eine der wohlhabendsten Industriellen-Familien der Schweiz ein. Constance von May ist
Geboren 16. Januar 1844 in Bern als letzte von drei Töchtern des Berner Patriziers und Anwalts Anton Rudolf Friedrich von May (1808 - 1875) und seiner Frau Anna-Barbara, genannt Nanny (1816 - 1861), der jüngeren Tochter von Hans Caspar Escher - von Muralt (1755 - 1859) aus Zürich, Gründer der Baumwollspin- nerei und Maschinenfabrik Escher-Wyss in der "Neumühle", Besitzer des "Felsenhofes" in Zürich und der „Schipf“ in Herrliberg (66).
Constances Vater Friedrich von May wurde Geschäftsführer des Unternehmens, dessen gewaltiges Bürogebäude in Zürich heute von der Kantonsverwaltung genutzt wird. Im Allmers-Nachlaß findet sich ein Billett, in dem er den Freund seines künftigen Schwiegersohns wissen lässt:
Monsieur de May-Escher a l’honneur de vous faire part du futur mariage de sa fille Constance avec Monsieur Victor de Meyenburgh
Und auch der Künstler selber meldete auf Bütten-Papier und in Französisch nach Rechtenfleth:
Monsieur Victor de Meyenburg a l’honneur de vous faire part de son futur mariage avec Mademoiselle Constance de May. Zuric, Avril 1866
Weniger förmlich und viel ausführlicher schreibt der Bräutigam seinem Freund an der Weser in einem Brief:
Wie Du Dir denken kannst bin ich unendlich glücklich, endlich die Seele gefunden zu haben, mit der ich durchs Leben schreiten soll. Manch Duzend Mädchenhabe ich gekannt, geachtet und gerne gesehen und doch immer gefühlt, dass keine von diesen allen für mich passe. Meine jezige Braut hatte ich merkwürdiger Weise in der kleinen Stadt67 nie kennen gelernt, bis ich lezten October an der Hochzeit eines lieben Freunde in Winterthur ihr Führer wurde und auch gleich Feuer fasste. Aber ein halbes Jahr hielt ich meinen Antrag zurück, weil der Vater den Winter über krank war, als aber das schöne Frühlings... erwachte, hielt ich’s nicht mehr aus und holte mir das „Ja“ am Genfersee, wo sich der Vater mit seinen beiden Töchtern eben aufhielt. Schilderungen meiner Constance will ich Dir nicht machen; denn die wäre ja nicht maßgebend; Du musst ein Mal kommen und sie kennen und lieben lernen. [...] Sei dem wie es wolle, so hoffen Sie und ich, dass ihr Euch bald einmal kennen lernen möchtet. Beiliegende Photographie mag Dir vor der Hand wenn auch nicht gut, zeigen wie sie ungefähr aussieht.(68)
Ob und wie glücklich diese Ehe verlaufen ist, lässt sich anhand der Quellen nur schwer beurteilen. Die Tatsache, dass Constance neun Kinder zur Welt brachte, von denen acht erwachsen wurden, hat jedenfalls nur statistischen Wert. Es fällt auf, dass Victor nicht nur von seinem Freund Hermann Allmers, sondern auch von seinem Sohn und seinem Enkel ausdrücklich als fröhlicher, dem Leben zugewandter Mensch und Künstler geschildert wird. Seine Gattin hingegen erscheint als eine eher grüblerische, ja depressiv gestimmte Frau, die ihren Umgang in pietistischen Kreisen suchte und sich im Alter den „sozialistischen Bewegungen der Nachkriegszeit“ öffnete (69). Sie starb am 7. April 1928 in Zürich.
Die Trauung hatte am 20. September 1866 in Herrliberg stattgefunden. Auf der „Schipf“. Das Weingut am Zürichsee befand sich seit dem 18. Jh. im Besitz der Familie Escher, in die Constances Vater Friedrich von May eingeheiratet hatte. Seine Frau, Anna Barbara von May-Escher erbte das Gut, das 1875 beider Tochter Constance zugesprochen und so zum Stammsitz der Familie von Meyenburg wurde. Von Dresden aus kam die Besitzerin mit ihren Kindern jeden Sommer angereist, Vater Victor stieß regelmäßig im Herbst zur Familie. Zur Weinlese.
Kaspar, der Ur-Enkel von Victor und Constance ist der erste von Meyenburg, der mit seiner Familie auf und von dem Weingut lebt. Seinen Vornamen führt er auf den letzten Vertreter des Hauses Escher zurück, dessen Mitglieder das ursprünglich eher bäuerliche Anwesen im 18. Jh. zu einem luxuriösen Landgut umgestaltet hatten. Prominente Gäste haben hier logiert: Goethe und Churchill waren da und der Dichter Max Frisch. Seine erste Frau, Trudy Frisch von Meyenburg, war eine Enkelin des Allmers-Freundes Victor und seiner Constance.
Das junge Ehepaar hat sich nicht lange im eher provinziellen Zürich aufgehalten. Die Schipf-Chronik vermerkt über den Bildhauer:
Da ihm Kunstverständnis und Enfaltungsmöglichkeiten in der Heimat eng beschränkt erschienen ... entschließt er sich ... 1869 zur Übersiedlung nach der „königlich sächsischen Haupt- und Residenzstadt“ Dresden, die zu seiner Künstlerheimat wird. (70)
Absicht oder nicht: der Begriff Künstlerheimat suggeriert, dass Dresden der Familie nie zur Heimat im weiteren Sinne wurde. Zwar erinnert sich Victors Sohn Hanns:
Die reichen Schätze der Gemäldegalerie in Pöppelmanns herrlichem Zwinger, Oper und Konzerte von hervorragender Qualität, die architektonischen Kostbarkeiten und wohlgepflegten Parkan- lagen allenthalben boten Genüsse wie kaum ein anderer Ort Deutschlands. Victor von Meyenburg fand rasch freundschaftlichen Anschluss an einen Kreis bildender Künstler, wie er ihn sich gewünscht hatte, und bei dessen geselligen Anlässen war seine schöne Gattin ein besonders gern gesehener Gast. Im übrigen fand man bald auch Aufnahme in der hochachtbaren und feingebildeten Gesellschaftsschicht, die sich im weiteren Umkreis um den königlichen Hof gruppierte (71).
Es ist nicht auszuschließen, dass der Bildhauer in diesen Kreisen private Kunden für seine Kunst als Portraitist fand. So ließe sich sowohl der auffällige Mangel an Arbeiten Victor von Meyenburgs im öffentlichen Raum, als auch die Tatsache erklären, dass sich in Dresdener Museen keines seiner Werke finden lässt (72).
Nicht auszuschließen ist auch der Wahrheitsgehalt einer Anekdote, der zufolge sich Victor von Meyenburg 1871 kurz nach seiner Einbürgerung in Dresden „die Rotkreuzbinde am Arm“ um französische Kriegsgefangene gekümmert hat (73). Aber Legenden bilden sich in jeder Familie. In diese Kategorie gehört zweifelsfrei die mündlich und schriftlich kolportierte Behauptung, Vic-tor von Meyenburg habe in der „Akademie an der Brühl’schen Terasse“ gearbeitet; und zwar in Gemeinschaft „mit Christian Rauch, den er als Meister verehrte“( 74). Christian Rauch ist zwar in Dresden gestorben, aber auf der Durchreise – und bereits 1857, zwei Jahre bevor Victor von Meyenburg Schüler seines Schülers Hugo Hagen wurde. Das sorgfältig geführte Archiv der Hochschule für Bildende Künste, der Nachfolgeeinrichtung der Akademie, kennt überdies keinen von Meyenburg. Keinen Professor dieses Namens, keinen sonstigen Mitarbeiter, keinen Studenten.
Der Blick ins Kirchenbuch lässt vermuten, dass die von Meyenburgs in Dresden (anders als Sohn Hanns behauptet) kaum gesellschaftlichen Anschluß fanden, womöglich auch nicht suchten: Die Taufpaten ihrer fünf hier geborenen Kinder rekrutieren sich überwiegend aus den Familien ihrer Eltern. Sie lebten zumeist in der Schweiz und konnten oftmals gar nicht selber an der jeweiligen Taufe teilnehmen. Nur ein Dresdner Name taucht mehrfach auf: Mehrfach tritt Carl Andreä (1823-1904) als Stellvertreter für abwesende Paten an, einmal ist dieser „Historienmaler hier“ sogar selber Pate, einmal seine Frau.
Dass ein Künstler-Kollege von Meyenburg in Dresden offenbar am nächsten stand, deutet nicht gerade auf einen breiten Bekanntenkreis der Familie hin. Dass dieser Maler-Freund Gründer des „Verein(s) für christliche Kunst“ war, verweist auf Constances Interessen. Sie gehörte dem religiös-sozialen Umfeld des Württemberger Pfarrers Christoph Boll an, den sie häufig besuchte (75). Er gehörte nebst seiner Frau auch zu den Paten von Meyenburg-Kindern. Dass Victor von Meyenburg über Carl Andreä vermutlich wieder mit Julius Schnorr von Carolsfeld in Verbindung trat (76), dürfte seinen Freund Hermann Allmers interessiert haben.
Der Kontakt zwischen den beiden Freunden scheint nach der Eheschließung des Künstlers jedoch abgebrochen zu sein. Dessen „Verlobungsbrief“ von 1866 ist das letzte Lebenszeichen, das im Allmers- Nachlass von ihm zu finden ist. Vielleicht nahm ihn seine wachsende Familie zu sehr in Anspruch. Nach dem Tode des Schwiegervaters 1875, als seine Ehefrau „Die Schipf“ übernahm, kümmerte er sich überdies verstärkt um das Weingut am Zürichsee. Weniger mag seine Arbeit als Bildhauer seine Zeit beansprucht haben. Jedenfalls deutet sein Enkel in Hinblick auf Victors Dresdner Jahre diskret an: „Die Dividenden der schwiegerelterlichen Firma Escher-Wyss ergänzen das eigene Einkommen in willkommener Weise“ (77).
Es lagen Schatten über den letzten Jahren des einst so unbeschwer- ten „Schweizerjungen“. Die Familienchronik erwähnt eine Behinderung durch „ein frühes Augenleiden“ sowie „andern Krankheiten“ und die zunehmende Bedrückung durch die Schwermut seiner Frau. Dazu kam „Ende 1892 eine schmerzhafte Erkrankung - es ist Darmkrebs .“ (78)
Victor von Meyenburg stirbt, von Constance „aufopfernd gepflegt“, im Alter von 58 Jahren in Dresden – recht jung und dennoch vergessen. Es scheint, dass nur die „Dresdner Geschichtsblätter“ Notiz von sei- nem Ableben genommen zu haben. Die Rubrik „Totenschau“ der Ausgabe 3 aus 1893 enthält die Notiz:
Viktor von Meyenburg, geb. in Schaffhausen 25. September 1834, gest. 16. Febr. 1893 Ammonstr. 7 (79)
Schluß
Im Jahr 1963 stellten die Bremer Meyenburgs Seume-Denkmal, das den zweiten Weltkrieg nicht überlebt hatte, wieder auf. Nahe dem alten Standort, in den Grünlagen auf der Weser-Halbinsel, steht es bis heute – und als Stele etwa so, wie Hermann Allmers es sich ursprünglich vorgestellt hatte, als noch von Material aus Kassel die Rede war. Victor von Meyenburg hatte seinerzeit diese Idee seines Freundes begrüßt:
[...] es ist dies ein guter poetischer Gedanke von Ihnen, sollch historisch schlechte Steine zu einem guten Werke zu verwenden; die Quader können sich da wieder reinwaschen. (80)
Anmerkungen / Fußnoten
Dieser Text wurde erstmals veröffentlicht im Jahrbuch Nr 83 der Männer vom Morgenstern, Heimatbund an Elb- und Wesermündung, Jahrbuch für 2004, Bremerhaven 2005.
1 Courir, Bremen 08.06.1864 2 Weser-Zeitung, Bremen 10.06.1864 3 Siebs 1915, S. 171 4 Brief an Hermann Allmers, „München Ende Oktober 1857“ 5 Hermann Allmers 1858, zitiert nach Siebs 1915, S. 171. 6 Offenbar war in dem Schreiben, aus dem von Meyenburg hier zitiert, von mehreren Seume-Portraits die Rede gewesen 7 Fortsetzung des Briefes vom Ende Oktober 1857 8 Tafel am Nachfolgebau von Seumes Geburtshaus in Poserna, angebracht vom Leipziger Buchhändler Keil Mitte 19. Jh. 9 Fortsetzung des Briefes vom Ende Oktober 1857 10 Wohl: Münchner Zeitung 11 Wohl ein Bildhauer 12 Brief an Allmers „München Mitte December 1857“ 13 Brief an Allmers „München, d. 12. Mai 1858 14 Brief an Allmers, „München den 17. Mai 1858“ 15 Brief an Allmers, „Berlin, den 15. August 1860“ 16]Bremer Staatsarchiv, 2-P.3.13.2b, Antrag vom 18. Januar 1864, Anlage zum Senatsprotokoll vom 20. Januar 1864.
17 ebenda 18 Seumes Peiniger, Kurfürst Wilhelm I von Hessen-Kassel, der ihn nach Amerika verschleppen ließ, hatte als Ersatz für sein 1811 zer- störtes Residenzschloss 1820 den Grundstein für ein Schloß gelegt, das nie fertiggestellt wurde. Das Baumaterial der neuen „Zwingburg“ stand offenbar zum Verkauf. 19 Siebs 1915, S. 170. Offenbar hat Allmers schon damals an eine Stele gedacht, wie sie heute zu sehen ist. 20 Hauptmann Böse – Ein deutsches Zeit- und Menschenbild für das deutsche Volk“ erschien erstmals 1882 im Schünemann-Verlag, Bremen. Abdruck in: Kurd Schulz 1965 21 Allmers, Hermann: „Briefe“, Hg. Schulz, Kurd, Göttingen 1968. 22 Victor von Meyenburg, Brief an Hermann Allmers, 24.12.1859“ (aus Berlin). Er wird wie alle hier zitierten Briefe, die Victor von Meyenburg an Hermann Allmers schrieb unter der Signatur „Nachlass Hermann Allmers, 2.3 / Meyenburg“, im Archiv des Landkreises Cuxhaven in Otterndorf aufbewahrt, jenem deutschen Landkreis, zu dem Rechtenfleth heute gehört. Dort hat die „Hermann-Allmers- Gesellschaft“ einen großen Teil des Nachlasses des „Marschendichters“ deponiert. 23 Bekannt wurde vor allem der Briefwechsel zwischen Allmers und dem Naturforscher Ernst Haeckel 24 Siebs1915, S. 59. 25 Vergleiche Stephan: Johann Gottfried Seume. Ein politischer Schriftsteller der deutschen Spätaufklärung. Stuttgart 1973 26 Allmers, Hermann: „Marschenbuch“, 4. Auflage, Oldenburg 1902, S. 411 27 Zum 80. Geburtstag, Siebs 1951 S. 315 28 Siebs 1915 S. 295 29 Brief Allmers an Theodor Menke, Rechtenfleth 1. Juni 1858. laut Schulz 1968 S. 74 ff. 30 Siebs 1915, S. 170 f 31 Hermann Allmers: „Römische Schlendertage“, Oldenburg 1869 (Erstausgabe) 32 Seume, Johann Gottfried: „Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802“, Braunschweig-Leipzig 1803 (Erstauflage) 33 Seine Suche nach „Altertümern“ galt vermutlich dem „Aufspüren historischer Kontinuität in nationalstaatlicher Absicht“ (Siehe Axel Behne: Einsame Morgengänge durch die Trümmerwelt Roms, Hermann Allmers begegnet den Altertümern Italiens. In: Schön 1998, Seite 27 und Fußnote 7, Seite 33) 34 Sie wird noch immer als private Einrichtung vom Bremer Kunst-vereins getragen, dem Nachfolger des „Künstlervereins“. 35 Siehe Helke Kammerer-Grothaus: Die Colonna-Gesellschaft – ein römischer Künslerbund. In: Axel Behne und Oliver Gradel (Hg.) 2002 36 Brief an Allmers vom 24.12.1859 (Berlin). Zerfahren und fehlerhaft geschrieben zeugt er davon, dass sich von Meyenburg unglücklich fühlte. 37 Brief an Allmers „Berlin, den 15. August 1860“ 38 Bemerkenswerter Weise scheint Allmers dem zeitgleich mit ihm in Rom lebenden Ferdinand Gregorovius (1821-1891), Autor des Stan- dardwerks „Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter“, nicht begegnet zu sein. Auch er war ein alter „48er“ – seinem Landsmann allerdings intellektuell und bildungsmäßig deutlich überlegen, wie u.a. seine „Römische(n) Tagebücher“ beweisen. 39 Victor von Meyenburg kannte den Spleen seines Freundes und vergaß bei passender Gelegenheit nicht, ihn zu bedienen: Die Familie meiner Braut stammt eigentlich aus Lucca im Florentinischen ist aber seit dem Anfang des 14t. Jahr- hunderts in Bern und der Vater nun seit 20 Jahren in Zürich; die Mutter war eine geborene Escher aus Zürich, vielleicht waren ihre Vorfahren einst mit den Deinigen, die sie sein[er] Zeit auch von Barbarossa geadelt worden. („Verlobungsbrief“ vom30.08.1866) 40 Wie oben vermerkt: Seume und / oder Göschen hatten ihn auf eine falsche Fährte gesetzt 41 Brief Allmers an Theodor Menke, Rechtenfleth 1. Juni 1858. Schulz 1968 S. 74 ff. 42 Siebs 1915, S. 162 43 Siebs 1915, S. 163 44 Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler, Leipzig 1930, S. 460. 45 Quelle: Rudolf Diggelmann; „Zur Baugeschichte der Museumsge- sellschaft“ In: Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 2002 S. 325 ff 46 „Es zeugt vom Selbstbewußtsein der Gründer, dass sie ihre Lesegesellschaft nach dem MUSEION in Alexandrien, der größten Bibliothek der Alten Welt, benannten“. Rudolf Diggelmann: „Zur Baugeschichte des Hauses der Museumsgesellschaft“ in: Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 2002, S. 326 47 Protokoll der 24. Sitzung des Präsidiums der Museumsgesellschaft, 30.01.1867 48 Brief an Allmers vom 17. Mai 1858 49 Quellen: Sächsisches Hauptstaatsarchiv (Adressenverzeichnis) und Stadtarchiv Dresden (Ratsarchiv) 50 Quelle: Taufregister der Kreuzkirche, Kirchenbuchamt des Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeindeverbands Dresden 51 Hans von Meyenburg: „Schipf-Chronik - Victor + Constance von Meyenburg und ihre Kinder 1834-1972“ (unveröffentlicht) 52 Hanns von Meyenburg:“Die Schipf in Herrliberg“, Zürich 1957 53 Ebd. S. 115 54 Siebs 1915, S. 171 55 Brief an Allmers, „München den 17. Mai 1858“ 56 Der Teufel, eine infame Geschichte, ist sie Dir auch schon so passiert? Soeben nehme ich meine Mappe hervor um einen an Dich angefangenen Brief zu vollenden; da muß ich denn sehen, daß ich diesen Brief in einem Couvert an unseren gemeinsamen Freund Schweiger abgeschickt habe und der für ihn bestimmte in meinem Besitz geblieben ist (Brief an Allmers „Berlin den 24. Dezember 1859“) 57 Hanns von Meyenburg S. 115. 58 Hans von Meyenburg (Schipf-Chronik) S. 12 59 Brief an Allmers „Berlin den 24. Dezember 1859“ 60 Ernst Rietschel (1805-1861) gilt als „Vermittler zwischen der klassizistischen Überlieferung Rauchs und dem neueren Realismus“ (Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler ) 61 Christian Daniel Rauch (1777–1857), ein bedeutender und einflussreicher Bildhauer des frühen 19. Jh. 62 Hugo Hagen (1818-1871) Schüler und Gehilfe von Rauch, war vor allem an seinen späten Werken stark beteiligt. 63 Hans von Meyenburg (Schipf-Chronik) S. 8 64 Gegenwärtig modelliere ich „auf vielseitiges Verlangen“ eine Statuette vom seligen [...] Schubert [...] (Brief an Allmers vom 15. August 1860) 65 „Bauabrechnung des Museumsbaus in Zürich, Architekt F. Stadler, 1867“ Archiv der Museumsgesellschaft 66 Hans von Meyenburg (Schipf-Chronik) S. 13 f 67 Gemeint ist Zürich! 68 Brief an Allmers, „Zürich d. 30. August 1866“. 69 Hans von Meyenburg (Schipf-Chronik) 70 Ebd. 71 Hanns von Meyenburg S. 116 72 Eine Rolle spielt sicherlich auch die Tatsache, dass sich Kunstwerke, die im engeren oder weiteren Sinn dem Historismus zuzuord- nen sind, inzwischen keiner breiten Wertschätzung mehr erfreuen. 73 Hans von Meyenburg S.10 74 Ebd. 75 Hanns von Meyenburg S. 121 76 Ludwig Richter und Schnorr von Carolsfeld werden von Andreäs Nachkommen als dessen engere Dresdner Freunde bezeichnet. Quelle: www.familien-zimmermann.de 77 Hans von Meyenburg S. 10 78 Ebd. 79 Dresdner Geschichtsblätter 3/1893 S. 87 80 Brief an Allmers: „München, Mitte December 1857“
Quellen
- Literatur
Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler (Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker), Leipzig 1934.
Bahr, Eberhard (Hrsg.): Was ist Aufklärung? Stuttgart 1974.
Hermann Allmers: Marschenbuch. Neudruck der Erstausgabe (Gotha 1858), heraus- gegeben und ergänzt von H. Th. Wenner, Osnabrück 1979.
Allmers, Hermann: Römische Schlendertage. 11. Auflage, Oldenburg 1904.
Behne, Axel und Gradel, Oliver (Hrsg.): Mensch sein und den Menschen nützen. Hermann Allmers und seine Künstlerfreunde, Rechtenfleth 2002.
Behne, Axel: Einsame Morgengänge durch die Trümmerwelt Roms, Hermann Allmers
begegnet den Altertümern Italiens, in: Schön 1998, S. 23-35.
Diggelmann, Rudolf: Zur Baugeschichte des Hauses der Museumsgesellschaft, in: Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 2002, S. 325ff.
Kammerer-Grothaus, Helke: Die Colonna-Gesellschaft - ein römischer Künstlerbund,in: Axel Behne und Oliver Gradel (Hrsg.) 2002, S. 25-31.
Koop, Rudolf: Haeckel und Allmers. Die Geschichte einer Freundschaft, Bremen 1941.
Meyenburg, Hanns von: Die Schipfin Herrliberg, Zürich 1957.
Meyenburg, Hans von: Schipf-Chronik, Victor + Constance von Meyenburg und ihre Kinder 1834-1972. Unveröffentlichtes Typoskript im Besitz der Familien von Meyenburg.
Schön, Matthias D. (Hrsg.): Hermann Allmers und das Altertum. Bremerhaven 1998.
Schulz, Kurd (Hrsg.): Hermann Allmers: Werke, Göttingen 1965.
Schulz, Kurd (Hrsg.): Hermann Allmers: Briefe, Göttingen 1968.
Schweizerisches Künstler-Lexikon, Frauenfeld 1908.
Siebs, Theodor: Hermann Allmers. Sein Leben und Dichten unter Benutzung seines Nachlasses, Berlin 1915.
Seume, Johann Gottfried: Werke (3 Bde); Bd. 1 u. 2 Hrsg. Jörg Drews, Frankfurt am Main 1993; Bd. 3 (Briefe) Hrsg. Jörg Drews u. Dirk Sangmeister, Frankfurt am Main 2002.
Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802, Hrsg. und kommentiert von Albert Meier, München 1994.
Seume, Johann Gottfried: Mein Sommer 1805, Hrsg. Jörg Drews, Frankfurt am Main 2002.
Seume, Johann Gottfried: Mein Leben, nebst Fortsetzung von G. J. Göschen und C. A. H. Clodius. Hrsg.: Jörg Drews, Stuttgart 1991.
Stephan, Inge: Johann Gottfried Seume. Ein politischer Schriftsteller der deutschen Spätaufklärung, Stuttgart 1973.
Zänker, Eberhard: Georg Joachim Göschen, Beucha 1996.
- Zeitungen
Courir, Bremen, 8.6.1864.
Dresdner Geschichtsblätter, 3/1893.
Weser-Zeitung, Bremen, 10.6.1864.
Weser-Zeitung, Bremen, 24.7.1963.
- Sonstiges
Archiv des Landkreises Cuxhaven in Otterndorf. Nachlaß Hermann Allmers, 2.3 / Meyenburg: Briefe
Hochschule für Bildende Künste, Dresden, Hochschularchiv.
Kirchenbuchamt des Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeindeverbands Dresden.
Kunsthaus Zürich.
Museum Allerheiligen Schaffhausen.
Museumsgesellschaft Zürich, Archiv.
Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft.
Staatsarchiv Bremen (2-P.3.13.2b).
Stadtarchiv Dresden (Ratsarchiv).
Sächsisches Haupt-Staatsarchiv, Dresden.
Staatsarchiv des Kantons Zürich.